Meine Wünsche zur Artikel-13-Debatte

17.02.2019 13:36
ca. 6 Minuten Lesezeit

(geschrieben aus meiner beschränkten Sicht als Programmierer) Zuallererst schauen wir uns dieses Video vom Rechtsanwalt Solmecke an (ich warte mit dem Weiterschreiben, bis ihr fertig seid, das dauert nämlich ’ne Weile):

Schön, dass ihr es durch den tiefen Sumpf der Gesetzgebung geschafft habt. Wir wissen jetzt also, dass sowieso alles offen ist und dass wir immer noch nicht wissen, was da jetzt eigentlich passieren soll.

Fangen wir mal an, wie so ein Video-/Bild-/Audio-Upload “ausgewertet” und umgangen werden könnte. Derzeit gibt es bei Youtube das sogenannte ContentID-System, welches “Fingerabdrücke” von Teilen des Videos macht (kurz erklärt: man nimmt markante Stellen aus den Videos und macht daraus eindeutige IDs, so wie bei menschlichen Fingerabdrücken auch nur bestimmte Punkte als Referenzen verwendet werden). Mische ich unter das Video kleine Extra-Bilder, die dem User als Ministörung vielleicht gar nicht bewusst auffallen, kann man dieses System schon ganz knorke umgehen (aber das machen wir natürlich nicht!).

Fangen wir jetzt an, dieses System auszunutzen, da sowieso nicht jedes Einzelbild eines Videos zur Auswertung benutzt werden kann, weil das die Rechenzeit immens in die Höhe treiben würde, benutze ich diese kleinen Einzelbilder, um über Youtube einfach Bilder zu verbreiten, deren Lizenz ich nicht habe, aber die mit meinem selbst aufgenommenen Video aus dem Wald rein gar nichts zu tun haben. Ich kann einem Player ja ziemlich genau sagen, an welche Position im Video er springen soll (ohne Autoplay) und kann damit quasi eine Bildergalerie über einen Youtube-Player bauen. Das ist nicht wirklich schwer, Otto-Normal-Verbraucher wird sich diese Arbeit nicht machen. Genauso kann ich den Player aber mit Autoplay auch überreden, von Stelle zu Stelle zu springen (Danke liebe Browser, dass ihr heute schon so performant seid). D.h. ich mische kleine halbsekündige Teile eines 3-Minuten-Musikvideos in ein 5-stündiges Waldvideo ein und spiele von Stelle zu Stelle einfach diese kleinen Teile hintereinander ab.

So und wie soll so ein Filter das jetzt erkennen? Mit machbarem Aufwand: Gar nicht. Und wenn man einen Weg findet, gibt es Tage später den nächsten Weg, wie man es umgeht.

Und genau da sind wir an dem Punkt, wie Artikel 13 unrealistisch wird. Es steht zwar nicht drin, dass die Anbieter einen Filter einsetzen sollen, aber sie sollen doch gefälligst verhindern, dass urheberrechtlich geschütztes Material veröffentlicht wird.

Versetzen wir uns doch mal in die Position alter Menschen (hier als Beispiel sei mal der typische CDU- und SPD-Politiker genannt): in deren Augen arbeiten schließlich fast 100.000 Menschen bei Google, die können sich doch hinsetzen und die Videos durchgucken, die da so hochgeladen werden, oder? Wenn man die alte Zahl von 300 Stunden Videomaterial, die pro Minute hochgeladen werden als Referenz nimmt, können das die 100.000 Mitarbeiter wohl schaffen, aber es ist jetzt nicht gerade so, dass die alle für Youtube arbeiten und nur Videos gucken. Ist also unrealistisch. Und dann müssen ja auch noch diverse Leute eingesetzt werden, die dann mit den Rechteinhabern sprechen. (Diese Erklärung ist grad so stark naiv vereinfacht, dass selbst alte Leute sie eigentlich nicht ernst nehmen dürften.)

Was also sonst bewegt diese Menschen dazu, sich sowas auszudenken, wenn wir hier als Annahme rausnehmen, dass sie von noch älteren Rechteinhabern = Medien-Publisher dafür bezahlt werden? Gehen wir mal davon aus, dass diese Menschen glauben, dass AI inzwischen dazu fähig ist, Urheberrechtsverletzungen zu erkennen? Sind wir doch mal ganz ehrlich: AI ist ein Witz und reine Panikmache von Menschen, die es nicht verstehen. Viele “künstliche Intelligenzen” bestehen aus einer Vielzahl von if-else-Abfragen, die dann auch noch löchrig wie Hölle sind. Machine Learning (oder besser Deep Learning) ist noch lange nicht so weit, Gesichter von berühmten Personen zu erkennen (ich habe da gute Beispiele für) und dann sollen sie mit entsprechender Fehlertoleranz Urheberrechtsverstöße erkennen? Es tut mir wirklich Leid, aber eure Medikamente hätte ich auch gerne.

Und kommen wir doch dann noch einmal in die Realität zurück: Aus der Mitte des Social-Media-Tellers sieht jeder Tellerrand aus wie Youtube und Facebook. Selbst wenn wir 2 unterschiedliche Systeme von 2 milliardenschweren Unternehmen hätten, die das System ganz okay umsetzen könnten - was ist denn mit dem Rest? Wir haben da draußen über 300 Millionen registrierte Domains auf der Welt und dann bauen wir Gesetze, die eigentlich nur 2 Domains betreffen sollen, aber dafür 20 andere deutsche Unternehmen in die Insolvenz treiben, weil die nicht die menschlichen Ressourcen haben, solche Analyse-Tools zu bauen? Wir können ja schon mal anfangen, bei Japan, Vietnam und den USA digitale Entwicklungshilfe zu beantragen.

Na gut, ich hab ja im Titel “meine Wünsche” stehen und noch nicht einen einzigen Wunsch geäußert.

  • Herr Axel Voss, darf ich mit Ihnen mal ein völlig unemotionales Gespräch führen, wie das für mich als Entwickler aussehen könnte, was da auf uns zurollt?
  • könnten, wie ich auf Twitter und Facebook vorhin schon schrieb, Google und Facebook einfach mal für einen Tag ihre Uploads auf all ihren Plattformen (Youtube, WhatsApp, Facebook und Messenger, Instagram) komplett ausschalten, nur um den Menschen einen Vorgeschmack zu geben, was im schlimmsten Fall passieren würde?
  • ich sehe auf den Beraterlisten immer nur alte Menschen und Unternehmen, die spekulativ rumphilosophieren - könnten wir das mal durch jüngere Praktiker ersetzen? Niemand verlangt hier Teenager als Berater, aber Menschen mit ein bisschen Erfahrung, die noch in der Praxis tätig sind, wären schon mal ganz schnafte
  • können die Menschen mal aufhören rumzujammern?

Der letzte Punkt ist so eine Sache, die mir schwer im Magen liegt. Wenn ich mir vorstelle, dass ich da in Brüssel sitze und bekomme nur mit, was da im Internet mit den Menschen passiert, dann ist das nur Rumgeheule. Es gibt ganz wenige Menschen, die mit fundierten Aussagen daherkommen, aber der Großteil heult rum. Vielleicht wird auch mein Beitrag so wahrgenommen, ist dann halt so. Bitte verwandelt das Geheule doch bitte in Wut - aber eine vernünftige Wut, keine die anderer Leute Eigentum kaputt macht. Geht auf die Straße, nehmt eure Kinder und Eltern mit, erklärt ihnen, dass die Partei, die sie gewählt haben dafür sorgen könnte, dass zu Weihnachten dieses Jahr (eigentlich erst frühenstens in 2 Jahren, aber ein bisschen Panik muss sein) keine besoffenen Elfen mehr per Whatsapp verschickt werden können und dann könnte es sein, dass die Parteien sich doch nochmal entsinnen, dass die Spendengelder nur ganz selten von Mitgliedern kommen könnten.

Auf Twitter habe ich noch den Hinweis bekommen, dass doch gefälligst jeder auch Parteimitglied werden solle und sich engagieren solle - ich bin Mitglied einer sehr guten Partei, aber die arbeitende Bevölkerung hat eben nicht immer Zeit, jedem anderen Parteimitglied auf die Finger zu klopfen. Außerdem: wenn wir alle Parteimitglieder wären, bräuchten wir keine Wahlen mehr, sondern nur noch die Mitgliedszahlen auswerten. Das ist auch nicht der Sinn der Sache.


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