Wahl in Mecklenburg-Vorpommern - meine 2 Cent

04.09.2016 22:14
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Die Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern sind gelaufen, die Wahllokale sind geschlossen und die sozialen Medien drehen durch. Wie können es Menschen wagen, die AfD zu wählen. Wir leben schließlich in einer Demokratie! Wat? Die Leute sollen also das wählen, was die anderen wollen? Ich wusste gar nicht, dass Demokratie seit Kurzem anders funktioniert.

Als gebürtiger Mecklenburger wundert mich dieses Wahlergebnis mal so gar nicht. Ich bin 2001 aus dem Bundesland weggezogen, aber natürlich habe ich noch viele Kontakte und auch Familie dort und auch wenn ich nicht jedes Wochenende in meiner Heimat bin, bekomme ich doch noch immer so einiges an Stimmung mit.

Jetzt schreien viele Menschen ausserhalb MVs, dass die Menschen dort dumm seien, ihnen Bildung fehle. Wenn ich das höre, möchte ich fast brechen. Andere Meinungen sind nämlich auch seit Neustem ein Zeichen von Dummheit. Aber nein, Dummheit oder fehlende Bildung ist nicht das Problem. Es ist Weitblick.

Fangen wir doch kurz mal davon an, warum ich das wirklich schöne Bundesland verlassen habe: Es sind die Jobs. Als Programmierer in MV einen Job zu finden, ist quasi unmöglich bzw. sehr schlecht bezahlt. Ich kenne einige andere Entwickler hier in Hamburg, die genau aus dem gleichen Grund die Heimat verließen. Und natürlich auch Menschen aus anderen Berufszweigen.

Was passiert mit Menschen, die also da bleiben?

Ich glaube es ist einfacher, wenn wir uns mal anschauen, was die Menschen im Nord-Osten so arbeiten. Viele Menschen werden in Call-Center gesteckt, um Dinge deutschlandweit zu verkaufen oder zu supporten. Was haben wir noch? Landwirtschaft. Ein wichtiger Zweig in MV, schon immer. Vor allem in der ehemaligen DDR. Viele Menschen waren in den LPGs, wurden nach der Wende gekündigt, umgeschult, arbeitslos, etc. Viele dieser Menschen arbeiten heute in Pflegebranchen - keine gut bezahlten Jobs. Aber natürlich gibt es noch viele Bauern, die Deutschland mit Nahrung versorgen.

Das nur als kleiner Einblick in das Land. Es ist natürlich vielfältiger als nur diese paar aufgelisteten Berufe, aber es sind eben andere Jobs als im Südwesten Deutschlands. Oder in Großstädten. Es entstehen dadurch gewisse Umgänge zwischen den Menschen. Dieser Umgang mit anderen Menschen formt Einwohner. Das ist ganz normal. Jeder kennt ja auch mindestens einen Einsiedler-Opa aus seiner Kindheit, der immer gegen das zu laute Spielen der Kinder gewettert hat. So ist das in Mecklenburg-Vorpommern auch.

In der Großstadt komme ich mit vielen unterschiedlichen Menschen in Kontakt, vielen unterschiedlichen Rassen, unterschiedlichen Normen, unterschiedlichen Werten, eben unterschiedlich halt. So wie der ganze Planet unterschiedlich ist. Kommt man damit aber kaum in Berührung, kann man sich nicht daran gewöhnen. Auch das ist ganz normal. Und der Mensch ist ein Gewohnheitstier - will jemand von außen etwas am eigenen Status Quo verändern, werden die eigenen Gewohnheiten angegriffen und das ist erstmal unangenehm.

Jetzt kommt also so eine Angela Merkel daher und will da andere Menschen ansiedeln. Und zwar mehr als nur eine Familie. Und sie kommen aus anderen Ländern. Für uns Großstädter ist das ein »Ja gut, sollen nur kommen, irgendwie wird das schon. Ein paar Menschen mehr oder weniger macht den Kohl nicht mehr fett«. Auf dem Land ist das aber ein »Wir haben ewig gebraucht, um uns in den letzten 10 Jahren an die Nachbarn zu gewöhnen und jetzt sollen Hunderte neue Menschen kommen? NIEMALS!«

Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich, aber nicht in der Realität

Die deutsche Politik hat einen großen Fehler gemacht: Sie hat alle Deutschen gleich behandelt. Steht auch so im Grundgesetz. Vor dem Gesetz mag das auch ganz schnafte sein, funktioniert aber nicht. Man kann nicht der Meinung sein, dass deutschlandweit die gleiche Meinung und Gesinnung funktioniert. Man kann nicht glauben, dass ein Landmensch wie ein Großstädter funktioniert. Doch das hat man geglaubt.

Man hat geglaubt, dass man den Menschen einfach andere Menschen in die Nachbarschaft setzen kann, ohne dass die „Ureinwohner” sich auflehnen. Dass das eigentlich auch funktioniert, darüber hat die Zeit auch berichtet. Aber das wissen die Leute nicht vorher. Solche Aktionen werfen bei Menschen immer Fragen auf, die ihnen niemand beantwortet. Fragen wie „Woher kommt das Geld?” oder „Bekommen wir zukünftig weniger?” und am allerschlimmsten ist die Frage ”Bekommen die Neuen mehr als ich?„ Die letzte Frage ist sowieso die Schlimmste von allen. Wie oben schon geschrieben, sind viele Menschen nach der Wende arbeitslos geworden, ihnen wurde quasi etwas weggenommen.

Manche lebten in der neuen BRD schlechter als in der DDR. Dass es daran lag, dass sie in der DDR keine große Möglichkeit hatten, ihr Geld auszugeben und nach der Wende das Geld dann schneller ausgegeben werden konnte, scheint bis heute nicht überall angekommen zu sein. Der jungen Generation wurde dies leider durch die Eltern weitervermittelt. Es war jetzt also alles schlechter als früher. Und wenn solche Gedanken im Umlauf sind, ausgerechnet bei der jungen Generation, und nicht frühzeitig widerlegt werden, werden sie irgendwann zu einer Wahrheit. Zumindest im Kopf.

Die Politik entspricht nicht dieser „Wahrheit”

Diese vermeintlichen Wahrheiten hinterlassen Fragen. Fragen die nicht beantwortet werden. Unsere Politik beantwortet nicht. Sie schwadroniert. Sie schwadroniert vor einem Publikum mit einem Horizont bis zur eigenen Nasenspitze. Das zeigen Diskussionen, die ich zum Thema TTIP geführt habe. Das Fazit: Die Leute in Mecklenburg-Vorpommern werden von TTIP überhaupt nicht berührt. Weiß halt wieder niemand. Stimmt auch nicht. Interessiert die Leute aber auch nicht. Ist nämlich viel zu weit weg. Erst wenn vor ihrer Haustür jemand mit einem Brief steht und sie vor ein geheimes Schiedsgericht zieht, dann ist das Gejammer groß. Weil dann wieder die Politik Schuld ist.

Und jetzt kam da eine Partei, die vom Namen her dafür sorgt, dass sich alles ändern wird. Stimmt zwar nicht, weiß aber niemand. Und die Leute denken, sie würden ihre Fragen beantwortet bekommen. Stimmt zwar auch nicht, wird aber so gesagt.

Wie lösen wir das Problem denn jetzt?

Zuerst einmal sollten wir die Menschen nicht beschimpfen. Wir sollten sie auch nicht ausgrenzen. Sonst wären wir selbst nicht besser. Ich persönlich würde MV wie ein Entwicklungsland behandeln wollen. Es braucht Förderung. Es braucht aber keine Förderung wie bisher, sodass noch mehr Callcenter gebaut werden. Es braucht Förderungen, die den Horizont erweitern, die Fragen beantworten.


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