Großraumbüro - Fluch oder Segen?

19.01.2012 23:48
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Startups sind ja dafür bekannt, dass sie neues Personal gern mit hippen Locations und noch hipperen Büros locken. Ich führte heute die wohl vierzigste Diskussion über dieses Thema und muss dies einfach auch mal niederschreiben.

Wie oft ich in den letzten zwei Jahren von kleineren Firmen hörte: “Wir haben ein Loft bei/in/auf [hier den Namen einer hippen Location einfügen]” und mir nur jedes Mal dachte: “Hättet ihr vernünftige Büros könntet ihr wegen erfolgreich gesteigerter Produktivität die Hälfte des Personals entlassen”. Auch ich habe schon in solchen Locations gearbeitet, wo wir mit 15 Personen auf knapp 50m² und auch mit der gleichen Personenzahl auf 250m² saßen. Es macht keinen Unterschied, solange da keine Wände sind.

Ausgerechnet die oft gelobten Lofts haben das Problem, dass sie sehr hellhörig sind, aber auch niedrigere Raumdecken schaffen es nicht, den Hall zu unterdrücken den die Menschen nunmal machen. Das Hauptproblem: Menschen wollen kommunizieren. Diese Kommunikation wird nur allzugern mündlich geführt, grad wenn man sich gegenüber sitzt. Dagegen ist auch grundsätzlich nichts einzuwenden. Wären da nicht noch die anderen im Büro. Die wollen nämlich auch kommunizieren.

Wenn man mal so eine Gruppe Kinder beobachtet, merkt man ganz schnell, was ich meine. Einer fängt an, der nächste will aber mehr gehört werden und wird lauter und so steigert sich die Lautstärke, ohne dass die Anzahl der Personen steigt. Leider lässt diese Eigenschaft nie nach. Die Leute im Büro wollen ihre Diskussion schließlich jetzt führen und dafür muss man die beiden Labertaschen vom Nebentisch natürlich übertönen. Da die aber ihr Gespräch über [gestern Abend|den letzten Fick|neue Modetrends|hier weitere überflüssige Themen einfügen] nicht beenden wollen, wird es im Büro unweigerlich laut.

Und dann kommen die Leute, die in Ruhe arbeiten wollen.

Für diese Leute gibt es zwei Möglichkeiten:

1. Sie brüllen rum und versuchen die Laberbacken zur Ruhe zu bewegen. Dies löst Unmut beim Brüllenden aus, bei den Empfängern und bei Unbeteiligten, die sich fragen, warum denn jetzt noch ein weiterer Kollege so einen Terz macht.

2. Sie setzen sich Kopfhörer auf um sich Ruhe zu verschaffen. Zu diesem Typ gehöre auch ich und hier gibt es auch Probleme bei der Anwendung. Man muss die Musik so laut drehen, dass ich andere Kollegen davon gestört fühlen. Außerdem muss man sie so laut drehen, dass eine Disco wie die ICE-Ruhezone wirkt und es löst u.U. sogar gesundheitliche Probleme aus, da das Innenohr dauerhaft geschädigt wird. Und ich spreche da aus eigener Erfahrung: ein geplatztes Trommelfell ist nicht witzig und die beiden OPs waren nicht so das Wahre. Und jahrelang jeden Satz mit eine “Hä?” zu hinterfragen wirkt jetzt auch nicht so prickelnd.

Was tun?

Erstmal muss man sich dessen bewusst werden, dass Großraumbüros nicht ein einziges Problem lösen. Das kollegiale Gefühl stärkt es nicht. Wirklich nicht. Es löst keine Kommunikationsprobleme, sondern schafft sie eher. Es erhöht keineswegs die Produktivität und es wirkt für Kunden auch nicht kreativer als andere Büros. Kreativität ist eh nichts, was man durch einen bestimmten Bürotyp oder Ort erzwingen kann. Für Kreativität braucht es Wohlfühlatmosphäre. Diese Atmosphäre hat so mancher Kreative sogar eigentlich nur zu Hause, wo ihm oft auch die besten Ideen kommen, die er dann am nächsten Tag bei der Arbeit einfach nur manifestiert.

Was Chefs tun sollten: Das Äußere ignorieren. Nicht nur das der Mitarbeiter, sondern das eigene Äußere der eigenen Firma. Intelligente Menschen können nämlich unterscheiden zwischen gespielter und echter Kreativität. Steckt kreative Leute in einzelne Räume, in denen sie mit maximal 3-4 anderen Mitarbeitern zusammensitzen. Dort können sie kreativ sein, ohne andere, projektfremde Kollegen damit zu belästigen. Die Produktivität wird steigen.

Was Mitarbeiter tun sollten: Also zuallererst mal aufhören mit den Augen zu rollen. Lieber mal die Klappe aufmachen, wenn euch der Lärm stört. Sagt es euren Kollegen und euren Chefs, sonst wissen sie nicht, dass es nervt. Ihr wisst ja: Manche merken nix! Wenn euch Kollegen nerven und ständig ansprechen, versucht einfach mal die Ignorier-Taktik. Das wirkt anfangs etwas arrogant, aber ihr werdet schließlich dafür bezahlt, dass ihr gute Arbeit abliefert.
Was ihr noch tun solltet: Zerstört eure eigene Illusion, dass ihr durch ein cooleres Büro selbst cooler werdet und ihr dadurch noch begehrter werdet. Ihr seid nur begehrt, wenn ihr gute Arbeit macht.

Wer mir dieses Gelaber grad nicht glaubt, der setze sich doch mal einen Vormittag mit seinem Laptop in eine Kinderkrippengruppe und versuche konzentriert zu arbeiten. Ihr werdet sehen: Eigentlich ist es wie ein Arbeitstag im Großraumbüro in komprimierter Form.


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