Liebe Arbeitgeber

25.10.2010 09:52
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Schon vor einigen Tagen schrieb ich auf Facebook:

“Wenn eure Mitarbeiter unglücklich sind, sind sie es meistens JETZT. Nicht erst nächsten Monat, wenn euch das wieder ins Budget oder den Zeitplan passt. Nur mal so. (Diese Aussage ist allgemeingültig und betrifft keine aktuelle Situation)”.

Dies möchte ich heute nochmal etwas erweitern um: “Zwingt eure Mitarbeiter nicht, früh aufzustehen oder lange zu bleiben”. Warum? Ganz einfach: Es ist nun mal wissenschaftlich erwiesen, dass wir eine Zweiklassengesellschaft in jeglicher Hinsicht sind. Nicht nur finanziell. Den Menschen gibt es in der Frühaufsteher- und in der Langschläfervariante. Es gibt einfach Menschen, die stehen gerne früh auf. Mit anderen Menschen kann man vor 12 Uhr nichts anfangen, weil sie einfach zu der zweiten Kategorie gehören.

Wenn ein Arbeitgeber (gibt es anscheinend auch nur in der Frühaufsteher-Variante) also verlangt, dass man früh morgens um 9 Uhr pünktlich auf der Matte zu stehen hat, dann fügt er dem Arbeitnehmer körperliche Schmerzen zu. Das ist auch nicht gut für den AG selbst, denn dieser AN ist deutlich unproduktiver. Ich habe schon von einigen Arbeitgebern gehört, die eine “Kernarbeitszeit” von 9-18 Uhr haben. Sorry, aber da könnte ich kotzen. Das ist keine Kernarbeitszeit, sondern eine feste Arbeitszeitregelung. Der AN hat also bei einer 40-Stunden-Woche ausschließlich die Wahl morgens eine Stunde früher zu kommen oder Abends eine Stunde später zu gehen. Wobei es meist natürlich nicht bleibt.

Auch die Ausrede “Aber in dem Zeitraum wollen uns unsere Kunden erreichen” ist großer Blödsinn. Erfahrungsgemäß verteilen sich Anrufe quer über den gesamten Arbeitstag. Das heißt, dass morgentliche Anrufe von der Frühaufsteher- und abendliche Anrufe von der Langschläfer-Kaste abgefangen werden. Auch tägliche Meetings müssen nicht immer morgens in aller Frühe passieren. Diese kann man z.B. auf die Zeit nach der Mittagspause legen (z.B. 14 Uhr). Da um diese Uhrzeit die Trägheit bei allen Beteiligten eh am Höchsten ist, wäre dort eh nicht mit Produktivität zu rechnen.

Was z.B. Agenturen mal überlegen könnten ist, ob man diese Form der Arbeitszeit nicht als Schichtsystem betreiben und sehen könnte. Der Vorteil: Kein Single-Point-of-Failure. Es ist doch oft so, dass man dort immer Leute mit speziellem Fachwissen sitzen hat. Läuft derjenige morgen vor den Bus, bricht irgendein Teil zusammen. Bei der Form des Schichtsystems muss eine Übergabe (Kommunikation) des erlangten Wissens zwischen den Frühaufstehern und Langschläfern stattfinden. Dazu muss man nur sein Ego überwinden. Es muss ja nicht direkt auf ein korrektes Schichtsystem hinauslaufen (Frühschicht geht und Spätschicht fängt an zu arbeiten), sondern dieser Part mit der Kernarbeitszeit dient dem Austausch, sodass die Langschläfer nicht Abends dastehen und nicht wissen, was der Kollege morgens gemacht hat.

Diese Kernarbeitszeit sollte deutlich geringer ausfallen, als die vereinbarte Arbeitszeit, sonst ist es keine Kernarbeitszeit. Mit “deutlich” ist nicht eine Minuten-, sondern eine Stundenrelation gemeint. Nehmen wir mal eine Kernarbeitszeit von 11-15 Uhr. Diese Zeit löst einige Probleme:

  • Frühaufsteher können bei einer 40-Stunden-Woche um 6 Uhr anfangen (ja es gibt solche Leute, die das lieber tun). Da hätten sie morgens noch Zeit, Dinge zu erledigen, von denen sie durch ewige Telefonate und andere Kommunikation abgehalten werden.
  • Langschläfer können bis 20 Uhr arbeiten - da nach 18 Uhr meist das Telefonaufkommen sinkt, haben sie auch noch Zeit, Dinge zu erledigen, wie es der Frühaufsteher morgens tut.
  • Man kann eine Hälfte des Tages Kollegen aus dem Weg gehen, mit denen man nicht so gut klar kommt. Bleibt nur zu hoffen, dass diese Langschläfer sind. ;)

Ich denke, Arbeitgeber sollten viel häufiger drüber nachdenken, was sie ihren Arbeitnehmern mit festen Arbeitszeiten antun. Das gilt übrigens auch für Schulen.


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